Ein Tag im Dezember
Der Tag heute hat erfreulich begonnen. Hab das Kind zu seinem Vater geschickt, Sport gemacht, geduscht und ein Zoom-Meeting gehabt mit einer interessanten Frau zum Thema Hochbegabung, viele gute und neue Impulse bekommen. Danach sind O und ich zu einem Händler gefahren, er mit dem Skateboard, waren in einer Buchhandlung, haben gestritten, weil er asiatisches Essen kaufen wollte am Heimweg, ich dagegen war, weil wir die gefühlt letzten hundert Mal dann vor Grausen nur zwei Bissen runter gebracht haben und ich dem Konzept 'asiatisches Essen to go' keine Chance mehr geben wollte, außerdem war ich gestresst, weil ich lieber in der Arbeit gewesen wäre, aber es nicht übers Herz gebracht habe, das Kind bei seinem Vater zu lassen, der im Homeoffice gearbeitet hat und deswegen logischerweise keine Kümmer-Zeit hat aufbringen können, bald ist Schularbeit, ich wollte noch lernen mit O, so war er bei mir, ab halb zwölf. Natürlich freue ich mich sehr, ihn um mich zu haben, und als wir dann unser asiatisches Essen genossen daheim, und nachher noch eine halbe Stunde quatschten bei Tisch, dachte ich an die Zeit, wo er mit seinen Kommilitonen beim Essen sitzen würde, ein junger Mann, mit strahlenden Augen Dinge erzählend, seine Zeit genießend, hoffentlich, und wie ich ihn vermissen werde, dann, und wie dankbar und froh ich bin, dass er jetzt noch mit mir am Tisch sitzt und so sprudelnd vor sich hin erzählt. Wir haben es dann gekauft, das To Go Essen, waren unter meinem Geschimpfe Geld abheben, dort kann man nicht mit Bankomat - Karte zahlen, er bestellte sich gebratene Nudeln und das Ambiente in dem kleinen Lokal, die vier Menschen hinter der Budel, dazu der Geruch, haben mich die Karte studieren lassen, O rief 'Es gibt Poke Bowl, bestell' das für Dich!' Mit einem Sackerl Essen, einem für ihn geschenkten Glückskeks, dem breiten Lächeln der Verkäuferin zum Abschied und einem vor Vorfreude tanzenden Kind bin ich heim gefahren. Das war das mit Abstand beste Essen, das ich seit langem gegessen habe, Restaurant-Besuche diverser Art eingeschlossen. Ich werde noch mehr auf mein Kind hören, er hat Ahnung, kannte den Laden von seinem Fussballcamp vor zwei Jahren.
Nach dem Essen hatte er Digital-Zeit, ich las über den Aufbau der Grammatik und Morphologie, damit ich ihm besser erklären kann, wir Anregungen umsetzen, die ich beim Gespräch in der Früh erhalten hatte.
Meine Studien wurden von einem Anruf seines Vaters unterbrochen, wir müssen uns auf die weiterführende Schule einigen, und das ist leichter gesagt, als getan, weil das Thema (wegen der nicht lauter Einser im Zeugnis) haarig ist. Er ist schlau, aber die Mühen der Ebene sind noch nicht seines. Das muss man lernen, sich beibringen lassen, ihm ermöglichen. Ich hab erklärt, warum das bislang nicht so wirklich geklappt hat, mittlerweile wird es Schritt für Schritt besser. Unser Gespräch hat sich dann jedenfalls ausgeweitet, mit Stress und Streit zwischendurch, am Ende fanden wir dennoch einen versöhnlichen Konsens. Morgen wird entschieden.
Mit O übte ich anschließend Interview auf Englisch, er hampelte herum, was mich nervös machte, jemand hat ihm eingeredet, er hätte ADHS, das ist nicht so, er glaubt es nur jetzt, und ist verunsichert. Dann baute er einen kleinen Art Hügel aus Sessel und Stofftieren und Polstern, spielte eine Weile mit dem Zollstock und dachte nach. Während ich anschliessend die Geschirrhangerl bügelte, raffte er sich auf, drei der wichtigsten 100 Wörter in seiner schönst möglichen Schrift auf Karteikarten zu schreiben. Er hat das gut gemacht, aus den geplanten zehn Minuten wurde eine Stunde, weil er noch schöner schreiben wollte als zuvor, und ein 'das macht Spaß' kam frank und frei heraus geschmettert, später rief ich meine Mutter an, weil ich das wegen des Schulgesprächs vergessen hatte, wir redeten nett, ich erhielt eine erfreuliche Nachricht und jetzt gibt es gleich Abendessen. Manchmal ist es schön, anders kann ich das nicht sagen.